Illusion
schöner Schein
was ist Wahrheit
wir wissen es nicht
ahnungslos
Schlagwort: Wissen
Verletzlich
Verletzlich die dünne Haut des menschlichen Lebens, bedroht nicht allein durch den stets nahen Tod, sondern durch das Wissen darum. Wir tanzen mit unserer Vorstellung von dem, was uns auslöscht. Mit unserer Ahnung, dass alles endet. Wenn wir gehen, gehen wir allein, aber mit einer ganzen Welt im Gepäck. Vielleicht ist noch Zeit – doch müssten wir zuerst begreifen, was Zeit überhaupt ist. In allem, was wir tun, ist unser Abschied gegenwärtig: tränenreich und melodramatisch. Wir spüren keinen Schmerz, aber wir tragen ihn mit uns herum.
Hinab ins Nichts
Hinab ins Nichts meiner Herkunft. Es gibt kein Zurück – nur die Erinnerung daran, was nicht hätte sein dürfen, das Wissen darum, was niemals sein wird. Hinunter in die dunkle Tiefe des Ursprungs, in die ich eintauche wie in eine stinkende Pfütze. Die Reise einer Wolke an den Abgrund des Himmels. Nichts ist wirklich – es geschieht nur, nicht mehr, nicht weniger. Es geschieht mit mir.
Blick aus dem Fenster
Blick aus dem Fenster ins Nichts – als würde, was ich sehe, sogleich zerstört, aber so, dass ich es nicht einmal bemerke: beinahe zärtlich und nicht ohne eine gewisse Ironie. Aus der Erinnerung gelöscht, noch bevor ich es überhaupt wahrnehme. Die Welt dort draußen kommt gar nicht erst bei mir an – falls es sie gibt. Das fehlende Wissen darüber wiegt mich in Sicherheit. Geborgen in der Vernichtung.
An einem Tag im Winter
An einem Tag im Winter, wenn die Welt im Schnee versinkt, wenn alles, was wir wissen, was wir erschaffen, im Eis begraben wird, alles Denken erfriert. Wenn unser Leben unbewohnbar wird, weil alles, was wir zu kennen glaubten, fremd geworden ist. Wenn einfach alles vorbei ist, weil wir die Kälte nicht mehr ertragen, die wir immer schon spürten, tief in uns, im Innersten unseres Wesens. Vielleicht geht an einem solchen Tag anderswo die Sonne auf, eine Sonne, die zu weit entfernt ist, um einen Namen zu besitzen, ganz zaghaft, ein Hauch nur von Wärme und Licht auf der Haut eines einsamen Steins.
Keine Fragen mehr
Keine Fragen mehr, alles ist schon erklärt, wir wissen Bescheid. Irgendwo steht bereits geschrieben, was wir gar nicht wissen wollen. Keine Geheimnisse, alles ist enthüllt. Was verborgen ist, haben wir längst vergessen. Alles liegt auf der Hand. Das Leben: eine einzige Offenbarung. Keine Ungereimtheiten, alles ist klar und deutlich. Wir sehen in der Dunkelheit. Was wir suchen, finden wir im Schlaf. Wir suchen nichts. Wir durchschauen uns selbst, nüchtern und ungeniert. Die ganze Welt: vollkommen selbstverständlich.
Dunkle Energie
Dunkle Energie, die dich antreibt, was immer du tust, fremd und unbekannt wie dein Lächeln, unergründlich wie das Innerste deines nach außen gestülpten Herzens. Vergiss, was du zu wissen glaubst. Die Welt beginnt, wo das Wissen abdankt, der Glauben in seine Höhlen zurückkehrt. Ändere deinen Namen – nur so wird man dich finden, wenn du in endloser Nacht verschollen bist.
Wüste der Wirklichkeit
Wüste der Wirklichkeit: was du siehst, was du fühlst, was du bist – nichts davon ist wahr. Dein Leben: ein Hirngespinst. Ein nervöses Flimmern in den Eingeweiden der Schöpfung. Schlechte Kunde für Engel und Honigbienen. Das Leben beginnt erst noch. Doch was ist es dann, woran wir uns mit angehaltenem Atem klammern? Die drei Schattenseiten des Himmels: Liebe, Wissen, Macht. Der Hunger nach Ewigkeit, das Streben nach Glück, gefangen in einer Badewanne.
Nichts
Nichts außer der stillschweigenden Erwartung, dass etwas sein müsse. Kein Staub auf den leeren Bücherregalen, keine Spinnweben in den dämmrigen Winkeln des unbewohnten Zimmers. Alles Wissen dieser Welt unter einem Fingernagel, alles Leben hinter Glas. Die besänftigende Leere des Vergessens – wie der Blick aus dem Fenster, Tag für Tag unverändert, die Aussicht auf eine Landschaft ohne Vergangenheit, menschenleer und ausgestorben. Vielleicht noch ein Lüftchen in den kahlen Zweigen der Bäume, ein vertrockneter Grashalm auf einer Mauer, ein Fußabdruck auf verwachsenem Weg. Nichts wird sich ändern, wenn ich fort bin.
Ausgerechnet jetzt
Ausgerechnet jetzt, als wäre nicht längst schon Zeit gewesen, der Wink mit dem Zaunpfahl. An diesem Tag, in diesem Moment, der eine Ewigkeit der Erwartung in einem einzigen Wort zusammenfasst: Ahnungslosigkeit. Keine Fragen, keine Antworten. Kein unerwünschtes Wissen zwischen den Mahlzeiten. Wir drehen uns im Kreis, so schnell, dass unser Freudestrahlen zur Grimasse verzerrt wird. Wir stolpern über unsere eigenen Füße, beglückt vom Blick in den Abgrund. Die Leichtigkeit unseres Tanzes ist bloß der Taumel vor dem Fall. Und nun geschieht, was zuvor unmöglich schien – wenigstens wollen wir das glauben. Die Wahrheit ist, dass alles immer schon möglich war. In Wirklichkeit geschieht nichts.