Mit letzter Kraft

Mit letzter Kraft ans rettende Ufer der Sprache oder vielmehr in die Finsternis der Hoffnung. Meine Worte sind wie eine Reißleine ohne Fallschirm – nutzlos und ohne Sinn auf meinem Sturz vom Sofa. Ich rede, weil ich den Mund nicht halten kann, ohne von der Wirklichkeit verschluckt zu werden. Wenn ich spreche, bringe ich die Dinge zum Stolpern, hebe die Welt aus den Angeln. Ich schlage dem Tod ein Schnippchen. Und doch ist, was ich mitzuteilen habe, nichts als die Angst vor den Lebenden. Die Angst vor der Schöpfung in einem winzigen Augenblick des Schweigens.

Nichts als die Wahrheit

Nichts als die Wahrheit, wie hilflos auch immer das sein mag. Wie fern von der Wirklichkeit, wie abwegig inmitten all der Lügen und Verkommenheiten in mir. Jedes Wort bringt neue Falschheiten hervor, ich betrüge, wenn ich den Mund öffne. Wenn ich schweige. Ich sehe, wenn ich die Augen schließe. Ich sehe nichts, wenn ich in den Spiegel blicke. Nichts als die Wahrheit.

Ertrinken

Ertrinken in Stille, ausgefüllt vom Schweigen all jener Dinge, die meinem Leben Wirklichkeit einhauchen. Das Unerhörte gibt meiner Leere einen Namen, dennoch bleibe ich unerkannt, ein Fremder, ganz in schwarz gekleidet, das Gesicht verhüllt. Beinahe unsichtbar vor der dunklen Mauer des Regens. Bewege ich mich, kaum merklich, zeichnet das Zittern der Luft meine Konturen nach. Die Langsamkeit folgt der Spur meines Verschwindens. Ich löse mich auf wie der Schatten einer Wolke.

In der Fremde

In der Fremde geboren, der Welt von Anfang an abhanden, abseits aller Wege ins Glück. Das erste Wort Verzweiflung. Der erste Gedanke ein schwarzes Loch. Gesäugt von der Sprachlosigkeit des Unwirklichen. Geschlagen vom Lächeln der Geborgenheit. Fern von hier, unerreichbar, dieser Ort, den ich niemals verlassen habe. Von der Wirklichkeit eingeholt: der gespielte Schmerz eines namenlosen Narren. Mein Leben jenseits der Gegenwart.

Wüste der Wirklichkeit

Wüste der Wirklichkeit: was du siehst, was du fühlst, was du bist – nichts davon ist wahr. Dein Leben: ein Hirngespinst. Ein nervöses Flimmern in den Eingeweiden der Schöpfung. Schlechte Kunde für Engel und Honigbienen. Das Leben beginnt erst noch. Doch was ist es dann, woran wir uns mit angehaltenem Atem klammern? Die drei Schattenseiten des Himmels: Liebe, Wissen, Macht. Der Hunger nach Ewigkeit, das Streben nach Glück, gefangen in einer Badewanne.

Zwei Seiten

Zwei Seiten der Wirklichkeit oder dessen, was ich sehe, wenn ich mich abwende, die Augen schließe. Das Leben von hinten und von vorne – eine Frage der Perspektive, reine Ansichtssache. Das Innere der Dinge und wie sie mir erscheinen, wenn ich die Suche danach aufgebe. Wahrheiten, die niemand hören will, und Lügen, die uns um den Finger wickeln. Die Weisheit der Welt, seit wir nichts mehr davon wissen wollen.

Hand in Hand

Hand in Hand, die Augen geradeaus, keine geheimnisvollen Blicke, kein Flüstern und kein Murmeln – vor uns das schwarze Loch, auf das wir zusteuern wie Schiffbrüchige, nur knapp dem Untergang entronnen, glücklich in unserem Halbschlaf, der uns die Träume ebenso vorenthält wie die Wirklichkeit. Keine Engel, die unseren Weg kreuzen, wir sind allein. Die Zeit hat nichts mehr zu sagen – es ist die Stille, die zu uns spricht, der undurchdringliche Schatten unserer Sprachlosigkeit.

Nur keine Eile

Nur keine Eile bei allem, was du ohnehin nicht tust, bei allem, was du versäumst, was du vergisst. Unendlich viel, das unerledigt bleibt, manches nicht einmal begonnen. Die Wirklichkeit so armselig, gefangen in deinem Denken – wie in einer Gruft. Ruhe sanft, während das Leben an dir vorüberzieht. Niemand stört deinen Dornröschenschlaf. Was du für dich behältst, kann keiner dir nehmen. Was du nicht von dir gibst, wird niemals vergehen. Schließlich wirst du gar nicht gewesen sein: keine Spuren im Sand – darauf kommt es doch an.

Aus dem Ärmel

Aus dem Ärmel geschüttelt ein paar Zeilen, ohne Hand und Fuß, schließlich drängt die Zeit. Und was, wenn es nun doch einer liest? Wenn einer bemerkt, dass diese letzten Worte des Tages ergaunert statt erkämpft sind? Dass sie nicht mit deinem Blut geschrieben sind, nicht einmal mit Tinte? Doch am Ende kräht kein Hahn danach. Die Wirklichkeit des Schreibens rührt an keine Wahrheit. Kein Wort dringt zum Mittelpunkt der Welt vor, kein Gedanke schwingt sich zum Himmel auf. Nur so erkauft man sich das Schweigen.