Hinter Glas die Fremden, die mich mit dem Rücken ansehen, die von mir nichts wissen, nichts ahnen, während ich ihre Schritte zähle oder die Finger an ihren Händen. Ich bin nur zu Besuch, unsichtbar, und doch in ihrer Mitte, ganz selbstverständlich lebe ich mit ihnen, unerkannt, wie unter einer Tarnkappe, anwesend, gegenwärtig – einer von ihnen, solange ich mich nicht zu erkennen gebe. Ihr Blick durchbohrt mich, ihre Hände greifen ins Leere. Da ist nichts, was uns verbindet. Ich atme eine andere Luft, bewege mich in einer anderen Zeit, ich versinke in anderen Schlaf. In meinen Träumen gebe ich mir einen Namen.
Schlagwort: Träume
Wolken ziehen auf
Wolken ziehen auf, verdunkeln das lichte Blau des Himmels. Ein Vogel im Sinkflug, das Gezwitscher in den Bäumen verstummt. Für einen Augenblick nichts als Stille, vielleicht ein leises Rauschen, als ob der Lärm dieser Welt zu feinem Staub zermahlen wäre. All die Gedanken der Wachenden, die Träume der Schlafenden – ich höre sie: wie man das Gras wachsen hört, wie man die Zeit vergehen hört im Innern einer Sanduhr. Manchmal, wenn man es am wenigsten erwartet, kommt die Welt zur Ruhe, man könnte meinen: sie steht still – doch es ist wie im Auge eines Sturms. Gespannt warten wir auf die Ankunft des Schlimmeren.
Meine Rückkehr von den Sternen
Meine Rückkehr von den Sternen in eine Welt, die mir fremd geworden ist, seit ich sie verließ. Es kommt mir vor, als wäre ich nur wenige Tage fort gewesen, in Wahrheit ist es ein ganzes Menschenleben. Nichts ist mehr, wie es war, nichts, wie ich es kannte, selbst die Sonne glüht nun in einer anderen Farbe oder vielmehr: in einer anderen Tonart. Menschen sehen mich an wie ein Relikt aus längst verblassten Träumen, sehen durch mich hindurch wie durch eine Erinnerung, die ihnen im nächsten Moment entgleitet. Wir sprechen keine gemeinsame Sprache mehr, mein Flüstern wird in euren Ohren zu Geschrei, mein Rufen verhallt ungehört – fast wie im luftleeren Raum. Vielleicht bin ich gestorben, irgendwann, auf meiner Reise durch die Dunkelheit. Meine Rückkehr: bloß der letzte Gedanke einer Leiche im Exil.
Zwischen den Zeilen
Zwischen den Zeilen deines Lächelns das Erschrecken. Das blinde Wüten jenes gütigen Gottes, der über uns richtet mit Sturm und Flut. Die zerstörende Wucht seines Atemzugs, schlafend, ein kleines Kind, dessen fröhliche Träume die Erde erschüttern. Deine Angst, von schützender Hand erdrückt zu werden, unbemerkt, deine Trauer, dein Schmerz im Dunkel all der erloschenen Sterne. Mit der Achtlosigkeit eines Wimpernschlags vernichtet ein bloßer Gedanke die Lüge unseres Lebens, ein einziges Wort, strahlend, mit glühender Feder eingeschrieben in Menschenfleisch und Stahlbeton.
Ins Unbekannte
Ins Unbekannte meiner eigenen Träume versunken wie ein Ertrinkender, dem die Passanten fröhlich zuwinken, am hellichten Tag, inmitten des bunten Treibens, verloren in der Beschaulichkeit des aufkeimenden Frühlings. Geheimnisvolle Zeichen eines kreisenden Raubvogels, so undurchdringlich klar der Himmel, die Nacktheit der Liebenden, Tränen der Kindheit. Aus welcher Höhe bin ich gestürzt? Von welchem Stern? Die Sonne hüllt sich in Schweigen. Blumen am Straßenrand, mit gesenkten Köpfen murmeln sie ihre Gebete. Der Ruf eines Zickleins – ohne Antwort.
Gegen die Leere
Gegen die Leere ist kein Kraut gewachsen, keine Medizin – nichts kann das Loch stopfen, das ich wie ein Schatten bewohne, verborgen unter gefälschten Erinnerungen. Halb erfroren das Lächeln ewiger Wiederkehr, so vertraut wie die Lockungen der Fremde. Ich harre aus, während der Regen meine Träume fortspült, bis nichts mehr bleibt als jener schwarze Schlaf, der seit einer Ewigkeit meinen Namen buchstabiert. Ich warte ab, einen Fuß auf der Leiter ins Bodenlose.
Zur Ruhe kommen
Zur Ruhe kommen oder gleich aufs Abstellgleis, die Hände in den Schoß legen, Kopf in den Sand, aller Sorgen entledigt. In den Spiegel sehen, ohne zu erschrecken, die eigenen Träume träumen, in meiner Haut stecken. Verwegenheit des Denkens an Tagen wie diesem, die man vergisst, noch ehe sie vergangen sind. Die Heimlichtuerei der Dinge aushalten, ihr Tuscheln und Grinsen, die verstohlenen Blicke. Tage, die man niemals vergisst. Dinge, die mir nicht aus dem Sinn gehen. Meine Tränen übergebe ich dem Sturm. Zurück bleibt nur eine vertrocknete Hülle: das angehaltene Herz meiner Lebenslust.
Heute vielleicht
Heute vielleicht der letzte Tag, wer weiß, ganz ohne Vorwarnung, ohne Prophezeiung. Kein Zeichen am Himmel, keine Spuren, keine mystischen Rätsel im Erbrochenen eines schlafenden Trinkers. Dieser letzte Tag ist ohne Vergangenheit, ohne Geschichte, aber voller Erzählungen, denen keiner zuhört. Wie das Schweigen der Tiere, die uns sterbend ansehen. Dieser Tag ist wie jeder andere. Kaum dass ihn jemand bemerkt. Leichte Brise in den Zweigen eines Baums. Die Menschen: so beschäftigt mit ihren Träumen. Das halbe Leben unerledigt. Dieser Tag ist ohne Bedeutung. Vielleicht wird es regnen.