Schweigen im Walde

Schweigen im Walde, die wilde Horde ist ausgeflogen, um dir mein Unglück zu verkünden. Wie ausgestorben das Dickicht, während in verschwommener Ferne schwarze Flecken sich zu himmlischen Zeichen auftürmen. Auf dem Holzweg der späte Wanderer, welcher dem schönen Schein des Pfades traute, selbst das Plätschern eines Baches verstummt wie auf Kommando, das spärliche Sonnenlicht erlischt. Vollkommene Schwärze umfängt meine Gedanken, Worte kleben an meiner Zunge, mein Kopf ist ein Sumpf, der bloß noch die Knochen seiner Opfer ausspuckt – ewig unersättlich. Wo bist du in dieser Ausweglosigkeit? Wird die Stille dieser Nacht dich erweichen? Selbst wenn ich einen Weg fände, nichts könnte mich dahin bringen, dir nah zu sein. Dieser Wald ist ein Sarg aus Beton und Stahl.

Auf einer Insel

Auf einer Insel des Schweigens inmitten der Geschwätzigkeit – ein Schiffbrüchiger bin ich, verloren in der Fremde. Ein Reisender bin ich, fernab der Heimat, die ich niemals kannte, ohne Ziel, das ich erreichen könnte, ohne Hoffnung. Ein Gefangener bin ich, gekettet an die Unruhe meines Herzschlags, unablässig auf der Suche nach einem Spalt in der Mauer, die ich errichtet habe. Ein Schlafender bin ich, meine Augen geöffnet auf die sterbende Landschaft geborgter Träume. Heute beobachte ich, wie die Sonne sich verfinstert, unbeschreiblich still – ein zum Tode Verurteilter.

Meine Abwesenheit

Meine Abwesenheit. Ich berichte aus dem Inneren eines lautlosen Krieges, dessen tödlichste Waffe das Schweigen ist. Vielleicht bin ich dir nah, während all das vergeht, was eben noch Wirklichkeit war. Mit der Zuversicht eines Unsterblichen bin ich der Welt abhanden gekommen. Schlafende Schöne, niemand wird dich wecken, nicht die leiseste Ahnung kann einen Schatten auf deine Stirn werfen, kein Lächeln auf den Lippen, keine Rettung in Sicht. Ich wende mich ab, ungerührt, blutend, gleichgültig wie ein Seufzer des Windes am Straßenrand.

Keine Angst

Keine Angst, nichts ist, wie es scheint, die Sonne regnet, die Kälte wärmt, die Stille erzählt dir Geschichten – in einer fremden Sprache. Keine Angst im Augenblick des Erwachens. Du weißt, dass du lebendig begraben bist, ein unbekanntes Wort in einem verschlossenen Mund, grundlos zum Schweigen verurteilt, unschuldig. In Gedanken bist du bei mir. Nichts, denkst du, kann uns trennen. Wir sind uns nah. Wir sind eins. Du weißt, dass es gelogen ist. Keine Angst, selbst diese Lüge ist an den Haaren herbeigezogen.

Heute vielleicht

Heute vielleicht der letzte Tag, wer weiß, ganz ohne Vorwarnung, ohne Prophezeiung. Kein Zeichen am Himmel, keine Spuren, keine mystischen Rätsel im Erbrochenen eines schlafenden Trinkers. Dieser letzte Tag ist ohne Vergangenheit, ohne Geschichte, aber voller Erzählungen, denen keiner zuhört. Wie das Schweigen der Tiere, die uns sterbend ansehen. Dieser Tag ist wie jeder andere. Kaum dass ihn jemand bemerkt. Leichte Brise in den Zweigen eines Baums. Die Menschen: so beschäftigt mit ihren Träumen. Das halbe Leben unerledigt. Dieser Tag ist ohne Bedeutung. Vielleicht wird es regnen.

Hinter dem bekannten Gesicht

Hinter dem bekannten Gesicht: ein Fremder, meine Stimme, irgendwo über den Wolken. Mein Herzschlag im Sinkflug, ohne Eile dem Tod entgegen. Die Treppe ist dort drüben, jede Stufe ein anderes Leben. Du bist der, der da ist: am anderen Ende des Tunnels. Schritte durchs Feuer. Meine Gedanken spiegeln sich in deiner Abwesenheit. Der Mond so nah, die Sterne wie zerbröselte Kekse. Ich erkenne dein Schweigen in meinem Mund, den Schlaf auf deinen Lippen, dein Leben in meiner Hand. Unmöglich, dich zu finden, dein Lächeln, auf der Überholspur.

Traum von einer menschenleeren Straße

Traum von einer menschenleeren Straße. Kein Laut, der das spärliche Sonnenlicht aufstört, keine neugierigen Blicke. Niemand brüllt meinen Namen. Erinnerungen wie fernes Wetterleuchten, bedrohlicher Frieden gegen Abend. Das verlassene Auto mitten auf einer Kreuzung, seit einer Ewigkeit unterwegs in die Bedeutungslosigkeit. Wie es scheint, komme ich jeden Tag hierher, angezogen von den Schrecken der Stille, bewaffnet mit Schweigen. Und doch bin ich bloß eine Erscheinung am Rande dieser Szene, ein Fremder im Reich der Toten, unerwünscht, menschlicher Makel inmitten der Schatten. Nur ein hässlicher Fleck auf dem Mantel des Vergessens.

Nur wenige Schritte

Nur wenige Schritte bis zum Ziel oder bis zum Sturz in den Abgrund. Die Brotkrumen auf dem Weg ins Vergessen. Nacht. In tiefem Schlummer: die Tierwelt meiner Sprachlosigkeit. Nur das Rauschen in meinem Kopf. Die Brandung eines Ozeans, der mich verschlingt. Ein Leben lang. Woran sich erinnern, wenn die Welt sich in Tränen auflöst? Wovon sprechen im Innern des Schweigens? Sterbend bin ich die Tiefe dieses Ozeans. Ich bin die Stille, der freie Fall in völliger Dunkelheit. Das Rauschen. Diese Wolke unter der Haut des Schlafes.

An manchen Tagen

An manchen Tagen ist dein Schweigen unerträglich, so verletzend, was du nicht aussprichst, in dir begräbst wie eine lästige Erinnerung. Nicht deine Abwesenheit ist es, die mir zu schaffen macht, nicht dein Verstummen in der Ferne. Ich rufe dich, aber wie in einem Traum, der dich nicht erreicht. Meine Stimme ist ohne Halt, und aus dem Traum gibt es kein Erwachen. Meine Worte strecken sich dir entgegen wie die Hand eines Ertrinkenden. Die Gleichgültigkeit, mit der du meinem Blick ausweichst. Deine Sorglosigkeit, die mich anlächelt. Deine Unfehlbarkeit.