Nicht ein einziger Traum

Nicht ein einziger Traum in dieser Nacht, die niemals endet. Seit einer Ewigkeit der schwarze Schlaf in den Eingeweiden der Geschichte, das Treiben der Wolken hinter geschlossenen Augen, das verkniffene Lachen der Finsternis in meinem Mund. Ganz ohne Worte: die Nachrichten aus dem Niemandsland der Stille. Sprachlos der Himmel ohne das Geschrei der Vögel, der Meeresspiegel blind, kein Bild auf meiner Zunge. Sekunden wie Regentropfen in der Wüste. Über mir: die bestirnte Nacktheit des Unendlichen. In mir: die milde Hoffnungslosigkeit der Erlösung.

Schlaf

Schlaf über der Stadt wie eine schwere Wolke. Schweigend wälzt Nebel sich durch die verlassenen Straßen, unaufhaltsam und bedrohlich. Fenster werden geschlossen, Türen verriegelt. Die Nacht bricht herein wie ein Unglück, von dem alle wissen – und das dennoch niemand bemerkt. Zu oft schon haben wir es unbeschadet überstanden, so glauben wir. Zu oft schon ging danach die Sonne auf, wurde Licht in der Finsternis unserer Träume. Zu oft schon sind wir erwacht. Wir glauben nicht länger an unser Verschwinden. Durch das Dickicht unserer Trübsal hindurch der milchige Schimmer des Mondes – Geisel unserer Vernunft.

Sternenstaub

Sternenstaub in meinen Adern. Mein Herzschlag im Takt der Ewigkeit, unendlich schnell, ohrenbetäubend angesichts der lähmenden Stille des Universums. Ruhelos mein Blick, der von der Finsternis abprallt. Die Weite des Himmels zwischen den Zeilen, nirgends ein Halt, nirgends ein Sinn. Das Leben: diese Tropfsteinhöhle voller Touristen, dieser Parkplatz am Rand eines Vulkans. Ich bin auf der Reise zum Anfang, wohin ich auch gehe. Ich kehre zurück, so sehr ich mich auch entferne. Das Licht der Sonne in meinen geschlossenen Augen.

Das Böse

Das Böse unter falschem Namen und mit aufgesetztem Lächeln, bunt geschminkt und liebreizend gekleidet – die Freundlichkeit in Person, unnahbar und verlockend zugleich. Eine verschwommene Erinnerung, die sich in unseren Tagträumen einnistet, zu unbedeutend, um erlogen zu sein, zu wirklich, um unbemerkt zu bleiben. Mächte der Finsternis, die höflich an meine Tür klopfen, um mich zu zerreißen, sobald ich ihnen öffne.

Tief im Innern

Tief im Innern des Berges, begraben unter Jahrtausenden einer Geschichte, die niemals stattgefunden hat, menschenleer und sprachlos, versteinert wie die Bilder eines Traums, geträumt von den Gewalten der Natur, ahnungslos und beseelt. Die Finsternis des Schweigens auf dem Weg in die Unterwelt. Ein einziger Tropfen Licht, der meine Haut erglühen lässt wie eine Sternschnuppe ohne Himmel. Gottlos die Angst im Spiegel der Dunkelheit. Alles Wissen verloren im irdenen Labyrinth der Zeit.

Verschlossen

Verschlossen die Tür, durch die ich eben noch gegangen bin, der Weg zurück versperrt, fast so, als hätte es ihn niemals gegeben. Vergessen meine Herkunft, all die Stationen meines Lebens, die ich hinter mir ließ – wie ausgelöscht. Die Orte, an denen ich blieb, vielleicht nur für eine kurze Weile – von der Landkarte verschwunden. Die Fenster, aus denen ich auf regennasse Straßen herabsah, verdunkelt. Der Gesang der Vögel verstummt. Wie ausgestorben die Wälder, in denen ich mich verlief. In mir nichts als stille Trostlosigkeit, die sich zu erinnern versucht – vergeblich. Meine Augen geblendet von der Finsternis, die mich erwartet.

Ins Licht

Ins Licht die Gedanken wie der Blick eines Blinden, dem die Finsternis falsche Versprechen zuflüstert. Der Sonne entgegen, aber nur auf dem Papier – doch was könnte wirklicher sein? Die Dunkelheit der Welt ist mein Zeuge. Niemand hört zu, niemand fragt danach, niemand bemerkt es – und doch ist alles anders. Urplötzlich an der Oberfläche, was verborgen war, und aus den Augen, woran wir uns festhielten. Nun erst ist der Weg frei, da wir uns nicht mehr auskennen.

Abgesang

Abgesang auf die Finsternis im Herzen des hellichten Tages. Berauscht von der eigenen Tatenlosigkeit, dem Zögern, dem vorweggenommenen Scheitern, lausche ich den Klängen der Stille. Das Rauschen der Wolken auf dem Weg in unsichtbare Ferne. Der Flügelschlag einer Schwalbe, die zärtlich meinen Atem in Stücke schneidet. Das Zirpen der Grille, einsam auf einem vertrockneten Grashalm. Mein eigenes Schweigen, das ohne Antwort bleibt.

Stille Nacht

Stille Nacht unter freiem Himmel, eingesperrt in die Ewigkeit, das farbige Rauschen der Finsternis. Für einen Moment der Welt abhanden gekommen – wie ein Schrei, der ungehört verhallt. Und doch beide Füße auf festem Grund, mit einem Zugvogel im Herzen, der mir die Ferne zuflüstert, das Unbekannte hinter dem Gartenzaun. Tief verwurzelt in der Wirklichkeit, den Blick zu den Sternen erhoben. Träume im Exil, die geheimen Wünsche im Brunnen.

Stiller Gesang

Stiller Gesang in den Abgründen der Finsternis, kaum ein Flüstern, das zu mir dringt, keine Melodie – nur das seltsame Rauschen eines Traums, der mir von ferne vertraut ist, schließlich aber verblasst. Gesang ist das falsche Wort. Eher ähnelt es einem erstickten Raunen oder vielleicht einem sorgenvollen Seufzen. Es ist so nah, so bedeutungslos, so menschlich. Es ist, als lauerte hinter der nächsten Ecke der Tod oder das Vergessen. Ein in Tränen ertränkter Schrei oder doch nur das zarte Säuseln einer Hochspannungsleitung.